Von Tanja, Borderfree-Volunteer in Presevo und Bujanovac
Was ist Krieg? Zerstörung, Verwüstung, Schmerz, Flucht, Tod. Wie Krieg aussieht und was Krieg hinterlässt, wissen wir von den Medien. Was Krieg in den Herzen hinterlässt, können wir vielleicht erraten. Ich masse mir nicht an, zu sagen, dass ich wisse, welche tiefen Narben der Krieg hinterlässt.
Meine Tage hier in Presevo sind bald vorbei. Mein Herz weint. Möchte ich doch die liebgewonnenen Menschen nicht zurücklassen. Ich werde Presevo und somit die liebgewonnenen Menschen für ein sicheres Leben in der Schweiz verlassen.
Khaled, Ahriman und Reber, welche meine Schüler sind, verliessen ihre Heimat Syrien, um ein sicheres Leben in einem sicheren Land zu finden. Khaled schildert mir seine Fluchterfahrungen. Ich höre ihm ruhig und aufmerksam zu. Welche Ängste er ausgestanden hatte, als er und die anderen Heimatvertriebenen in einem Schlauchboot auf dem offenen Meer trieben oder als sie einen zugefrorenen Fluss überqueren mussten, dessen Eisdecke plötzlich unter den Füssen seines Freundes einbrach und er ihn mit Hilfe „Allahs“ retten konnte, so seine Worte. Heute könne er darüber lachen, dazumal habe er vor Angst Blut geschwitzt, da er nicht schwimmen könne. Er berichtet mir, wie die Grenzpolizei ihn aufgegriffen und geschlagen habe. Alles habe er verloren. Beklaut von der Polizei und ausgeraubt von den Schmugglern. Die Schlepper haben Versprechungen gemacht, die sie nicht gehalten haben. Haben ihn und die Anderen auf einer griechischen Insel zurückgelassen. Das Geld für die „Weiterfahrt“, die Überfahrt zum Festland hatten sie bereits bezahlt. Ruhig und gelassen gibt er mir zur Antwort, dass das Geld nicht wichtig sei, er habe Vater und Mutter, eine Ehefrau und zwei Kinder, das sei wichtig. Er erzählt mir, dass der zehnjährige Sohn seines Bruder bei einem Bombenangriff getötet wurde.
Wenn Khaled lacht, strahlen seine Augen. Wenn Khaled traurig ist, sind seine Augen voller Schmerz. Dann spüre ich mit jeder Faser meines Körpers seine Narben, die der Krieg ihm hinterliess. In diesen Momenten bin ich mit meiner Herzenswärme da, höre unaufgefordert, aufmerksam zu und versuche zu geben, was in meiner Macht steht.
So haben wir in einer Deutschnachmittagsstunde Gedichte geschrieben. Als ich ihnen sagte, dass ich ihnen das Elfchen, eine Gedichtform, beibringen werde, waren sie zu Beginn nicht begeistert. Ach, das sei viel zu schwierig, war ihre Reaktion darauf. Ich ahnte aber, dass ich sie damit begeistern könnte. So legten wir auch gleich los und zu meiner Überraschung präsentierten sie mir mit Selbstbewusstsein und Freude am nächsten Tag ihre Gedichte – feinfühlige, aussagekräftige Poesie ans Leben. Mit unsagbarem Stolz lauschte ich zärtlich ihren Worten. Diese Herzensgedichte möchten wir gerne mit euch teilen. Ich bin mit Dankbarkeit erfüllt – ich danke von Herzen Khaled, Ahriman und Reber
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