Anfangs April ist Sebastian bereits zum dreizehnten Mal als Volunteer für Borderfree in den Libanon gereist. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen in den Flüchtlingscamps und von dem einen Satz, der ihn bis heute nicht mehr loslässt.
Sebastian, wer bist du, und was motiviert dich dazu, deine Ferien für humanitäre Hilfe einzusetzen?
Ich bin Sebastian, 33 Jahre alt und komme aus dem Raum Bern. Ich bin gerne aktiv, treibe Sport und liebe es, unterwegs auf Reisen zu sein und neue Kulturen kennenzulernen.
Das erste Mal war ich vor knapp vier Jahren im Libanon – und irgendwie hat mich das Land nicht mehr losgelassen. Die Armut, die schwierige Lebenssituation der Syrer:innen und Libanes:innen sowie die teilweise vorhandene Perspektivlosigkeit der Kinder und Jugendlichen konnte ich nicht einfach vergessen. Besonders im Vergleich zu unserem privilegierten Leben in der Schweiz. So kam es, dass ich bald ein zweites Mal reiste, dann ein drittes Mal – und letzte Woche war ich zum 13. Mal dort.
Meine Motivation ist simpel: Ich will helfen. Wenn ich weiss, dass jemand Unterstützung braucht, fällt es mir schwer, nichts zu tun. Ich weiss, dass ich nicht allen helfen kann – aber wenn ich auch nur einer Person helfen kann, hat es sich mehr als gelohnt.
Und wie bereitest du dich jeweils auf deine Einsätze vor?
Bevor ich in den Libanon reise, spreche ich jeweils mit Nassib, unserem Borderfree-Mitarbeiter vor Ort. Gemeinsam überlegen wir, wie ich mich in der Zeit meines Aufenthalts am besten einbringen kann – zum Beispiel mit der Verteilung von Diesel im Winter oder der Ausgabe von Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Nassib kennt auch Familien oder Einzelpersonen, die medizinische Hilfe benötigen – etwa in Form von Medikamenten oder Operationen. Ich unterstütze zudem eine syrische Familie vor Ort. Da schaue ich auch mit ihm, was sie ggf. Noch brauchen. So bin ich gut vorbereitet und weiss ungefähr, wie viel Geld ich für welche Hilfe einplanen muss.
Auch zur Sicherheitslage tausche ich mich jeweils mit Nassib aus – sie hat sich seit Oktober deutlich verschlechtert.
Ansonsten ist die Vorbereitung wie bei jeder anderen Auslandsreise. Im Vergleich zu meinem ersten Besuch mache ich mir aber nicht mehr so viele Sorgen, was alles passieren könnte. (Anm. d. Red.: Sebastian grinst.)
In deinem Video bekommen wir einen direkten Einblick in deine Einsätze. Was ist dir bei deinem letzten Besuch besonders in Erinnerung geblieben?
Definitiv das Camp Nummer 52, in dem wir Hygienesets verteilt haben. Die hygienischen Zustände dort sind katastrophal – ich kann mir kaum vorstellen, wie die Menschen so leben können. Ich habe in vielen Camps geholfen, aber dieses hat mich besonders getroffen.
Eine Frau sagte bei der Verteilung: “Jetzt kann ich mein Kind endlich duschen.” Dieser Satz ist mir geblieben. Etwas, das für uns so selbstverständlich ist, ist es für andere eben nicht.
Wie erlebst du die Menschen vor Ort?
Ich erlebe sowohl Libanes:innen als auch Syrer:innen als offen, hilfsbereit und unglaublich gastfreundlich. Auch wenn sie selbst kaum etwas besitzen, wird man fast immer zum Tee oder Kaffee eingeladen. (Sebastian lacht.) Diese Gesten berühren mich jedes Mal.
Und was denkst du, wie erleben sie dich?
Wie sie mich erleben? Gute Frage! Ich denke, sie sehen mich als offenen, zugänglichen Menschen. Es hilft sicherlich, dass ich ein bisschen Arabisch spreche. Das überrascht zwar oft im ersten Moment, bricht aber sofort das Eis.
Wir wissen voneinander, dass wir aus sehr unterschiedlichen Kulturen kommen. Und trotzdem – ich habe nie erlebt, dass das ein Hindernis wäre. Weder für ich, noch für sie. Im Gegenteil.
Was nimmst du mit zurück in deinen Alltag in der Schweiz?
Jedes Mal, wenn ich zurück in die Schweiz komme, versuche ich mir bewusst zu machen, wie privilegiert mein Leben hier ist, und schätze es etwas mehr, was wir hier alles haben. Ich versuche, diese Dankbarkeit zu verankern – mal gelingt mir das besser, mal weniger gut. (Anm. d. Red.: Er grinst.)
Wenn mir jemand sagt, dass sie jetzt endlich ihr Kind duschen kann, dann weiss ich: Ich sollte mich über “Probleme” bei der Arbeit eigentlich nicht beschweren.
Gibt es etwas, das du den Leser:innen dieses Interviews mitgeben möchtest?
Ich finde Engagement etwas sehr Wertvolles. Wenn man die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten hat, sollte man sich engagieren – sei es für Menschen in der Schweiz oder im Ausland, für Tiere oder für ein anderes Anliegen. Das macht eine solidarische Gesellschaft aus.
Und: Ich kann jedem nur empfehlen, den Libanon einmal zu bereisen. Klar, im Moment ist die Sicherheitslage angespannt und die wirtschaftliche Situation sehr schwierig. Aber beim letzten Besuch habe ich zum ersten Mal seit Langem das Gefühl gehabt, dass sich etwas verändern könnte.
Wenn sich das Land politisch stabilisiert, ist eine Reise dorthin unbedingt empfehlenswert.
Hier findest du eines der Videos, die uns Sebastian von seinem Einsatz zugeschickt hat. Möchtest du selbst einen Volunteer-Einsatz für Borderfree machen? Dann melde dich bei uns.
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