„Es gibt Dinge, die treffen dich mitten ins Herz, auch wenn du dachtest, dass du schon längst gut mit der Situation zurechtkommst. Nach vier Wochen bin ich heute für eine Woche zurück in die Schweiz gereist. Ich sitze auf meinem Bett, mit dem Laptop vor mir. Ich habe schlecht geschlafen und versuche einen Bericht zu schreiben. Doch die Eindrücke überrumpeln mich auf einmal. Ich finde keine Worte für alles was in meinem Kopf vorgeht.
Seit vier Wochen bin ich nun im Camp Petra, und versuche mein Bestes, für diese Menschen dieses Fleckchen Erde zu einem besseren Ort zu machen. Ich habe hier eine unglaubliche Zeit, habe ganz viele wunderbare, aber auch viele sehr tragische Eindrücke gewonnen. In den letzten vier Wochen konnte ich mir ein Bild davon machen, wie es im Camp aussieht und wie es den Flüchtlingen tatsächlich geht. Aber erst jetzt merke ich, dass ich mir in dieser Zeit nie wirklich mit der Situation und den Umständen im Camp auseinandergesetzt, mir nie gründlich Gedanken gemacht oder die Eindrücke verarbeitet habe. Durch die stundenlange Arbeit und die vielen Leute um mich herum war ich stets glücklich und abgelenkt. Nun bin ich wieder in der Schweiz, in einer ganz anderen Realität und die Wahrheit holt mich ein. All diese Menschen flohen vor Terror, Krieg, Verfolgung und Gewalt und haben gefährliche Routen und Reisen hinter sich. Sie alle haben ihr Leben, ihr Zuhause, ihre Freunde und oft sogar ihre Familien zurückgelassen und ungeheure Hürden überwunden mit der einfachen Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit.
Viele dieser Leute stecken heute in Griechenland in einem Camp fest, und warten. Und doch habe ich selten so viel Liebe und gleichzeitig so viel Elend an einem Ort vereint gesehen. Diese Menschen haben alles verloren, und doch teilen sie mit dir alles was sie bekommen. Die Menschen laden dich täglich zum Essen ein, umarmen dich, lachen. Diese Menschen wurden so schnell ein wichtiger Teil von mir. Für mich sind sie schon lange nicht mehr „nur“ Flüchtlinge. Sie wurden zu Freunden. Zu Familie.
Ich kann mir nicht vorstellen, diese Leute im Camp zurück zu lassen. Ohne Gewissheit, wie es ihnen geht, was mit ihnen geschieht. Ich kann mir nicht vorstellen, mich hier in unserem gewohnten Luxus zu wälzen, währen meine Freunde im Camp auf die Möglichkeit auf ein Leben warten. Ich hoffe, dass dieses Warten bald ein Ende nimmt und für all diese Menschen ein neues, besseres Leben beginnt. Ich hoffe, dass die Menschheit bald begreift, dass wir alle gleich sind. Dass wir alle auf derselben Erde leben, alles Menschen sind. Dass wir es schon immer waren, bis uns Rassen trennten, Religionen auseinanderrissen, die Politik uns teilte und Reichtum uns klassifizierte. Ich hoffe, dass trotz dieser Differenzen, inmitten dieser verkehrten Welt, Menschlichkeit und Gemeinschaft wieder ihren Platz finden werden.“
Neueste Kommentare