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*Kein Weg zurück*

(Bericht von Gina, Borderfree-Freiwillige in Petra)

„Ich war schon an so manchen Orten und hab schon so viele Arten von Armut gesehen, dass ich dachte ich sei vorbereitet, als ich mich für eine Woche ins Camp Petra meldete.

Ich war es nicht.

Vielleicht weil ich Mutter von drei kleinen Kindern bin und mein Herz sich nicht schützen konnte. Vielleicht aber auch einfach, weil die Tragik von Menschen auf der Flucht alles übersteigt was ich bisher kannte.

Der Unterschied von blosser Armut, die schon immer da gewesen ist, und der Tatsache, aus der Heimat vertrieben zu werden während man zusieht, wie der Terror all jene tötet oder verschleppt, welche zu deinem Volk zählen und nicht genug schnell flüchten, ist immens. Die Menschen, die im Camp Petra leben, waren im Irak nicht arm. Sie waren bestimmt auch nicht reich für unser westliches Denken. Ihre riesige Verwundbarkeit und ihr grösstes Leid ist es aber bestimmt nicht, die schwierigen Umstände eines solchen Lagers auszuhalten, sondern die Tatsache, dass sie niemand beschützt hat, als sie auf so grausame Art und Weise angegriffen wurden; dass sie auch heute niemand schützt und für sie einsteht.

Wenn man mit den Menschen und Kindern spricht, ihre Geschichten hört und sich die Zeit nimmt, ihnen in die Augen zu sehen, sieht man sehr schnell, welche von ihnen schon zu viel gesehen und erlebt haben. Es gibt keine Beschreibung dafür, wie sich eine gebrochene Seele in den Augen spiegelt, aber man erkennt sie wenn man genau hinschaut.

Und alleine in diesem einzelnen Camp Petra, in den Bergen von Thessaloniki, wo hunderte Jesiden zusammen leben, gibt es hunderte einzelne Schicksale und Geschichten, welche so unfassbar sind, dass wir sie aufschreiben und der Welt erzählen müssten. Und doch wissen diese Menschen genau wie ich, dass ihre Geschichte kaum jemand hören wird, denn alles, was die Menschen in diesen Lagern sind, sind „Flüchtlinge“.

Ein Mensch auf der Flucht ist das Verletzlichste und Verwundbarste überhaupt. Für all jene, die es geschafft haben zu fliehen, für all jene die es überlebt haben über das Meer zu uns zu kommen und für all jene, die hier und heute versteckt in den Bergen oder eingepfercht in den Militärhallen vor den Toren Europas festsitzen – für all jene steht niemand ein.
Wir alle tragen Verantwortung für die Dinge, die hier passieren. Und wenn es genügend Menschen geben würde, welche sich Zeit nehmen würden, den Mensch hinter dem Flüchtling kennen zu lernen und dessen Geschichte, wäre vielleicht nicht alles besser für all diese Menschen. Aber sie hätten ein Stück Würde zurück, ein Stück Schutz wäre für sie da und ein Stück Hoffnung käme zurück.“