„Erst seit wenigen Stunden bin ich im Camp Petra angekommen. Die Sonne brennt erbarmungslos auf unsere Köpfe und der Schweiss steht mir auf der Stirn. Vier oder fünf Kinder haben sich um meine Arme und Beine geklammert und gerade macht sich ein grünäugiger, gelockter Junge mit Spitzbuben-lächeln daran, meinen Rücken zu erklimmen. Vor mir erstreckt sich ein Dorf aus weissen Zeltdächern, dessen Anblick mich an Zeitungsfotos von Camps aus dem Libanon erinnernt. Aus dem Kinderlärm kristallisiert sich auf einmal eine helle Mädchenstimme heraus, die mir unentwegt „Come Mama“ entgegenruft. Ich stutze, verstehe nicht was sie meint, bis sie meine Hand packt und mich in Richtung der weissen Zelte zieht. Der gelockte Junge hat unterdessen das Interesse an mir verloren und von mir abgelassen. Auch die anderen Kids konzentrieren sich mittlerweile auf das Seilspiel, das ein paar Meter weiter begonnen hat. Das Mädchen, welches meine Hand ergriffen hat, ruft mir ein weiteres Mal „Come Mama“ zu und bevor ich mich versehe, stehe ich in einem Zelteingang, wo mich bereits eine grossgewachsene, kräftige Frau mit warmen Augen in Empfang nimmt. Zufrieden setzt sich Sidar, das Mädchen auf eine Liege und bedeutet mir, mich neben sie zu setzen. Auch die Mutter zeigt auf das Feldbett und reicht mir sofort ein Wasserglas. Mein ohnehin erhitzter Körper ist nun schweissüberströmt. Die Luft im Zelt ist zum Schneiden dick und innert wenigen Minuten machen sich die Fliegen über meine salzige Haut her. Auch die Mutter und Sidar schwitzen und wedeln sich erfolglos Luft ins Gesicht. Aufgeregt ruft die Mutter etwas auf Kurdisch. Ich verstehe nicht und Sidar übersetzt. Sie entschuldigen sich für die Umstände im Zelt und sofort wird mir mehr Wasser gebracht. Ich schäme mich.
Zu dritt unterhalten wir uns für eine Weile so gut es eben geht mit einer Mischung aus Englisch, Kurdisch und Züri-Dütsch. Doch bald wird die Hitze unerträglich, mir wird schwindelig und auch Sidar und ihre Mutter fühlen sich sichtbar unwohl. Gemeinsam verlassen wir das Zelt. Ich ringe nach Luft und verabschiede mich langsam von meinen Gastgebern. Der Rest des Teams hat mittlerweile ebenfalls zusammengepackt und ist zur Abfahrt bereit.
Ich schäme mich nach Hause zu gehen, denn wohin gehen Sidar und ihre Mutter jetzt?“
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