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Es ist das gute Gefühl, gebraucht zu werden

Die Zugerin Rabija Efendic half als Volontärin Flüchtlingen in Serbien. Der Einsatz hat ihr Leben verändert.

 

 

«Ich würde mir wünschen, dass mir jeder Mensch, den ich in Preševo getroffen habe, eine Nachricht schicken könnte, dass er sicher an seinem Wunschort angekommen ist», postete Rabija Efendic gleich nach ihrer Rückkehr Anfang Januar auf Facebook. Die Zugerin mit bosnischen Wurzeln hatte Anfang November letzten Jahres beschlossen, sich als freiwillige Helferin beim Zürcher Verein Borderfree für einen Einsatz zu melden. Ihre Erlebnisse im serbischen Dorf Preševo hat sie für diese Zeitung zwischen Weihnachten und Neujahr in einem Tagebuch geschildert.

Weinen aus Mitgefühl

Seither lässt Rabija Efendic das Schicksal der Flüchtlinge nicht mehr los. Immer wieder tauchen Erinnerungsbilder wie ein Film in ihrem Kopf auf, erzählt die ­24-Jährige sichtlich berührt in einem Café in Zürich. Erschöpfte Familien, denen sie beim Papierkram geholfen hat. Kinder, die sie mit ein paar dummen Faxen aufmuntern konnte. Verzweifelte Mütter, mit denen sie aus Mit­gefühl geweint hat. Junge Männer, die ihr ihre Träume von einem besseren Leben anvertraut haben.

An seine Grenzen gehen

Wie anstrengend und gleichzeitig belebend ihr 10-tägiger Hilfseinsatz tatsächlich war, wurde der Kundenberaterin erst in der Schweiz bewusst. In Preševo habe sie einfach funktioniert. «Dort musste ich täglich auf unerwar­tete Situationen reagieren und möglichst pragmatische Lösungen finden», sagt sie. Zum Beispiel, wenn bei minus 15 Grad kein Platz mehr im Zelt war.

Oder wenn von den täglich drei angekündigten Zügen, die die Flüchtlinge weiter an ihren Wunschort befördern, nur zwei ankamen. An Schlaf war oft nicht zu denken, Zeit für Reflexion blieb Rabija Efendic kaum. «Die meisten Volontäre gehen bei einem Hilfseinsatz an ihre Grenzen», sagt sie. «Aber in dieser Situation will man es auch gar nicht anders.»

Wie eine Familie

Die gegenseitige Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit, egal ob unter Volontären oder von den Flüchtlingen, habe sie in dieser Intensität bisher nicht gekannt, schwärmt Efendic. «Wir haben uns gegenseitig aufgebaut, jeder hat immer mit angepackt, wir sind uns aus Freude und zum Trost in den Armen gelegen – wie in einer Familie.» Die Stimmung unter den Leuten hat Rabija Efendic so überwältigt, dass sie sogar länger im Einsatz geblieben ist als vorgesehen.

«Ich konnte die Menschen doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, es gab noch so viel zu tun», beschreibt Efendic ihre Gefühle. Noch vor ihrer Heimreise beschloss sie: «Ich muss zurückkommen, ich bin hier noch nicht fertig!» Vorsorglich hat sie ein paar ihrer Sachen in Preševo gelassen.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz hatte Rabija Efendic Anlaufschwierigkeiten. Der Alltag zwischen Büro und Weiterbildung kam ihr auf einmal sinnlos vor. Heute, drei Wochen später, habe sie diese Phase überwunden, sagt sie. Mit ihren Gedanken ist sie jedoch immer bei den Flüchtlingen und Volontären geblieben. Deshalb freut sie sich «mega», dass es bereits in paar Tagen ein kurzes Wiedersehen in Preševo geben wird. Ihr nächster «richtiger» Einsatz ist dann für Mitte Februar geplant.

Das gute Gefühl

«Es lässt mich einfach nicht mehr los, ich weiss auch nicht genau, warum», sinniert Rabija Efendic. Vielleicht sei es das gute Gefühl, gebraucht zu werden, Not zu lindern, Menschen ganz konkret zu helfen. «Es macht einfach glücklich, wenn man unmittelbar sieht, was die eigene Arbeit bewirkt. Sei es nur das Lächeln eines durchgefrorenen Flüchtlings, dem ich eine heisse Suppe gebe.» (Berner Zeitung)

(Erstellt: 31.12.2015, 20:45 Uhr)