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„Über meinen Einsatz als Volontärin im Camp Petra könnte ich einiges erzählen. Ich habe sehr vieles erlebt und unbezahlbare Erfahrungen sammeln können. Das meiste, was Tag ein, Tag aus im Camp passiert, kann man den vorhergehenden Facebookposts entnehmen.
Gerne würde ich die Frage von Vanja aufgreifen, die sie am Ende ihres Posts vom 27. Juli gestellt hat: „Was passiert mit uns Volontären, wenn es zu Ende ist?“
Ich bin nun wieder in der Schweiz und an alles was ich denken kann, ist meine Zeit im Camp. Durch meine Arabischkenntnisse konnte ich mit einigen Flüchtlingen auf Anhieb ein fliessendes Gespräch führen, ohne dass uns der Google-Translator helfen musste. Anfangs war es meist nur oberflächlicher Smalltalk, doch mit der Zeit wurde gegenseitiges Vertrauen gewonnen und es gab unglaublich Tiefgründiges zu bereden. Die meisten Flüchtlinge schienen es einfach nur zu schätzen, wenn man bei ihnen ist und ihnen zuhört. Psychologen sind in solchen Camps leider viel zu rar vorhanden. Meine Zeit im Camp war viel zu kurz, um auf die Leute intensiver eingehen zu können. Am liebsten hätte ich meinen Einsatz verlängert.
Der Abschied einiger Flüchtlinge fiel mir extrem schwer. Ich musste gegen meine Tränen ankämpfen. Doch insbesondere die Flüchtlinge, müssen positiv bleiben, denn das Leben ist nicht vorbei. Sie haben und sollen die Chance erhalten, eine lebenswerte Zukunft zu erhalten.
Bereits am Flughafen wollte ich eigentlich kehrtmachen. In der Schweiz angekommen, als ich meine Liebsten in die Arme nehmen durfte, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Auch jetzt Tage danach fällt es mir immer noch schwer hier zu sein. Ich fühle eine Leere und habe das Gefühl, unnützlich zu sein.
Wir Menschen in der Schweiz beschweren uns über Probleme, die in meinen Augen keine richtigen Probleme sind. Welche Schuhe soll ich mir kaufen? Welches Outfit ziehe ich morgen an? Wie nehme ich am besten ab? Solche und andere Probleme sind reine Luxusprobleme. Die Flüchtlinge haben mit harten Schicksalsschlägen zu kämpfen. Einige haben die ganze Familie verloren, andere müssen sieben und mehr Kinder alleine grossziehen. Die Flüchtlinge versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen. Auch wenn es schlimme Tage gibt und viele psychisch angeschlagen sind, haben die meisten ihre Lachen nicht verloren.
Eine weitere Frage stellt sich mir, was wird mit den Menschen in den Camps passieren? Wie lange wird es dauern, bis sie zu ihren Verwandten in Deutschland, Schweden oder Kanada nachreisen können? Der Prozess dauert viel zu lang. Das tägliche Warten ist unmenschlich und nicht fair. Die Menschen wissen nicht, was mit ihnen passieren wird. Doch was können WIR dagegen tun? Diese Frage beschäftigt mich umso mehr, seit ich im Camp Petra war. So darf und kann es nicht weitergehen. Einerseits helfen Spenden enorm weiter. Andererseits ist es aber auch wichtig, alle Flüchtlinge als Menschen und nicht Störenfriede im eigenen Land zu betrachten.
Bekanntlich wurde der 74. Genozid an den Yesiden durch den IS vollzogen. Viele Flüchtlinge hegen aus diesem Grund einen generellen Hass gegen Muslime. Ich lernte aber auch solche kennen, die Familienmitglieder durch den IS verloren hatten, aber trotzdem nicht alle in einen Topf werfen, sondern jeden Menschen nehmen, wie er ist. Diese Stärke und vor diesem Denken empfinde ich riesigen Respekt und grosse Bewunderung.
Für mich steht fest: Das war mein erster Einsatz als Volontärin, bestimmt aber nicht mein letzter.
Was ich mir zum Schluss noch erhoffe, ist, dass ich einige Flüchtlinge, die ich im Camp Petra näher kennen lernen durfte und in mein Herz geschlossen habe, bald in der Schweiz, in Deutschland, in Schweden oder im Land, in welchem sie auch immer (hoffentlich bald) Asyl erhalten, wiedersehen kann.“

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