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A French lesson of a middle school class at the day school Bungertwies in Zurich, Switzerland, on March 12, 2015. The school has two kindergartens (1st and 2nd kindergarten year) and six classes of mixed ages (1st to 3rd grade and 4th to 6th grade). The mixed age group system means that the children can study together and learn from each other. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Das Ringen mit radikalen Gruppen

Aus Angst vor Ausschreitungen verzichtet der Verein Bildung Zürich auf den Protest auf dem Bürkliplatz. Gewerkschaften sehen das pragmatischer.

Nach Rücksprache mit der Polizei und der «Einschätzung des Risikos» hat der Verein Zürcher Bildung die grosse Kundgebung für Bildung abgesagt, die morgen auf dem Bürkliplatz stattfinden sollte. Als Grund gibt der Präsident der Schulleiterkonferenz, Christoph Wittmer an, mehrere Gruppen hätten auf ihren Webseiten und mit Flyern zu einer unbewilligten Nachdemo aufgerufen.

«Für uns gab es keine Garantie, dass es nicht schon während der Kundgebung auf dem Bürkliplatz zu Zwischenfällen kommt», sagt Wittmer. «Da so viele junge Menschen dabei sind, konnten wir kein Sicherheitsrisiko eingehen». Man trage für die Schüler und Schülerinnen die Verantwortung. Schweren Herzens habe man sich für die Absage der Kundgebung entschieden und beschlossen, die Aktionen nur an den Schulen durchzuführen. «Wir wollten nicht, dass unsere wichtige Botschaft in einen negativen Kontext gerät», ergänzt der Schulleiter.

Gewerkschafter regelmässig im Zugzwang

Gewerkschaftliche Gruppen, die sich regelmässig mit Aktionen linksautonomer Gruppen an ihren Anlässen beschäftigen müssen, bedauern diesen Schritt. Björn Resener, Sekretär des Gewerkschaftsbunds des Kantons Zürich (GBKZ) findet es schade, dass die Kundgebung abgesagt wurde. «Ich hätte das vermutlich nicht gemacht», sagt er. Die Proteste gegen Kürzungsprogramme im Bildungswesen seien wichtig und «hätten sicher viele Leute mobilisiert».

Als Mitorganisator der 1. Mai-Feierlichkeiten meldet Resener seit zwei Jahren den Demonstrationszug bei der Polizei an. «Obwohl die Linksautonomen sich im 1.-Mai-Komitee nicht engagieren, nehmen sie an der Kundgebung teil. Wir müssen uns regelmässig mit ihrer Präsenz auseinandersetzen und dafür sorgen, dass die Demo so verläuft, wie wir das möchten», sagt Resener. Dank der Zurückhaltung der Polizei und den eigenen Ordnungshütern in den Reihen der Demonstranten habe das die letzten zwei Jahre sehr gut geklappt. Resener plädiert dafür, die Autonomen nicht auszugrenzen, sondern sie einzubinden.

Kämpferisch ist nicht gleich unfriedlich

Fabio Höhener vom VPOD muss sich immer wieder mit dem revolutionären Aufbau oder der Revolutionären Jugend Zürich auseinandersetzen. Er geht davon aus, dass die radikaleren Teilnehmer der abgesagten Kundgebung kein Interesse daran gehabt hätten, die Kundgebung zu stören. Ihre Reaktionen in den sozialen Medien erweckten bei ihm den Eindruck, sie seien über die Absage schockiert und würden diese bedauern.

«Ich habe am Freitag noch versucht, die Rektoren davon zu überzeugen, die Demonstration durchzuführen, doch ihre Befürchtungen waren zu gross», sagt Höhener. Er ist der Auffassung, dass es Schüler, Studierende und Lehrpersonen gibt, die mehr wollen «als nur eine Kerze anzünden» und die eine andere Vorstellung von Bildung hätten. «Kämpferisch ist nicht gleichzusetzen mit unfriedlich», erklärt der VPOD-Sekretär. Höhener hätte es gut gefunden, «wenn 10’000 Menschen zusammen ein starkes Zeichen gesetzt hätten».

Vereinnahmung der Flüchtlingsdemo

Ihre eigene Erfahrung mit revolutionären Gruppen machte die Künstlerin Sonia Bischoff. Im September konnte sie nicht länger zusehen, wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht und organisierte über Facebook eine Kundgebung auf dem Helvetiaplatz. Der Revolutionäre Aufbau erschien mit einem Lautsprecherwagen und führte die Teilnehmer zu einem Protestzug in die Langstrasse, wo es zu Zusammenstössen mit der Polizei kam. Bischoff und ihre Mitstreiterinnen fühlten sich instrumentalisiert.

«Heute würde ich mich besser organisieren. Ich hätte einen eigenen Lautsprecherwagen und würde Peacemaker organisieren, die dafür sorgen, dass der Schwarze Block die Menschen nicht für seine Zwecke manipuliert», sagt Bischoff Tagesanzeiger.ch/Newsnet.

Sie bereue jedoch nichts. «Die Kundgebung auf dem Helvetiaplatz war der Ausgangspunkt für unser Engagement für Flüchtlinge». Zusammen mit vier anderen Frauen gründete Bischoff den Verein Borderfree. «In Presevo versorgen wir an manchen Tagen 4000 Flüchtlinge mit Essen, warmem Tee und dem Allernötigsten», erzählt die Künstlerin.

Sie freut sich über die Containerküche, die Borderfree seit zwei Tagen auf der Balkanroute betreibt und mit der die Freiwilligen jeden Tag Tausende von Flüchtlingen verköstigen könnten. Eine neue Kundgebung zu organisieren steht für Bischoff derzeit nicht im Vordergrund. Das Engagement für die Flüchtlinge vor Ort ist für sie wichtiger «als sich hier auf einen Platz zu stellen». (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

(Erstellt: 13.01.2016, 07:23 Uhr) von Anita Merkt, Redaktorin Zürich

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A French lesson of a middle school class at the day school Bungertwies in Zurich, Switzerland, on March 12, 2015. The school has two kindergartens (1st and 2nd kindergarten year) and six classes of mixed ages (1st to 3rd grade and 4th to 6th grade). The mixed age group system means that the children can study together and learn from each other. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Das Ringen mit radikalen Gruppen

Aus Angst vor Ausschreitungen verzichtet der Verein Bildung Zürich auf den Protest auf dem Bürkliplatz. Gewerkschaften sehen das pragmatischer.

Nach Rücksprache mit der Polizei und der «Einschätzung des Risikos» hat der Verein Zürcher Bildung die grosse Kundgebung für Bildung abgesagt, die morgen auf dem Bürkliplatz stattfinden sollte. Als Grund gibt der Präsident der Schulleiterkonferenz, Christoph Wittmer an, mehrere Gruppen hätten auf ihren Webseiten und mit Flyern zu einer unbewilligten Nachdemo aufgerufen.

«Für uns gab es keine Garantie, dass es nicht schon während der Kundgebung auf dem Bürkliplatz zu Zwischenfällen kommt», sagt Wittmer. «Da so viele junge Menschen dabei sind, konnten wir kein Sicherheitsrisiko eingehen». Man trage für die Schüler und Schülerinnen die Verantwortung. Schweren Herzens habe man sich für die Absage der Kundgebung entschieden und beschlossen, die Aktionen nur an den Schulen durchzuführen. «Wir wollten nicht, dass unsere wichtige Botschaft in einen negativen Kontext gerät», ergänzt der Schulleiter.

Gewerkschafter regelmässig im Zugzwang

Gewerkschaftliche Gruppen, die sich regelmässig mit Aktionen linksautonomer Gruppen an ihren Anlässen beschäftigen müssen, bedauern diesen Schritt. Björn Resener, Sekretär des Gewerkschaftsbunds des Kantons Zürich (GBKZ) findet es schade, dass die Kundgebung abgesagt wurde. «Ich hätte das vermutlich nicht gemacht», sagt er. Die Proteste gegen Kürzungsprogramme im Bildungswesen seien wichtig und «hätten sicher viele Leute mobilisiert».

Als Mitorganisator der 1. Mai-Feierlichkeiten meldet Resener seit zwei Jahren den Demonstrationszug bei der Polizei an. «Obwohl die Linksautonomen sich im 1.-Mai-Komitee nicht engagieren, nehmen sie an der Kundgebung teil. Wir müssen uns regelmässig mit ihrer Präsenz auseinandersetzen und dafür sorgen, dass die Demo so verläuft, wie wir das möchten», sagt Resener. Dank der Zurückhaltung der Polizei und den eigenen Ordnungshütern in den Reihen der Demonstranten habe das die letzten zwei Jahre sehr gut geklappt. Resener plädiert dafür, die Autonomen nicht auszugrenzen, sondern sie einzubinden.

Kämpferisch ist nicht gleich unfriedlich

Fabio Höhener vom VPOD muss sich immer wieder mit dem revolutionären Aufbau oder der Revolutionären Jugend Zürich auseinandersetzen. Er geht davon aus, dass die radikaleren Teilnehmer der abgesagten Kundgebung kein Interesse daran gehabt hätten, die Kundgebung zu stören. Ihre Reaktionen in den sozialen Medien erweckten bei ihm den Eindruck, sie seien über die Absage schockiert und würden diese bedauern.

«Ich habe am Freitag noch versucht, die Rektoren davon zu überzeugen, die Demonstration durchzuführen, doch ihre Befürchtungen waren zu gross», sagt Höhener. Er ist der Auffassung, dass es Schüler, Studierende und Lehrpersonen gibt, die mehr wollen «als nur eine Kerze anzünden» und die eine andere Vorstellung von Bildung hätten. «Kämpferisch ist nicht gleichzusetzen mit unfriedlich», erklärt der VPOD-Sekretär. Höhener hätte es gut gefunden, «wenn 10’000 Menschen zusammen ein starkes Zeichen gesetzt hätten».

Vereinnahmung der Flüchtlingsdemo

Ihre eigene Erfahrung mit revolutionären Gruppen machte die Künstlerin Sonia Bischoff. Im September konnte sie nicht länger zusehen, wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht und organisierte über Facebook eine Kundgebung auf dem Helvetiaplatz. Der Revolutionäre Aufbau erschien mit einem Lautsprecherwagen und führte die Teilnehmer zu einem Protestzug in die Langstrasse, wo es zu Zusammenstössen mit der Polizei kam. Bischoff und ihre Mitstreiterinnen fühlten sich instrumentalisiert.

«Heute würde ich mich besser organisieren. Ich hätte einen eigenen Lautsprecherwagen und würde Peacemaker organisieren, die dafür sorgen, dass der Schwarze Block die Menschen nicht für seine Zwecke manipuliert», sagt Bischoff Tagesanzeiger.ch/Newsnet.

Sie bereue jedoch nichts. «Die Kundgebung auf dem Helvetiaplatz war der Ausgangspunkt für unser Engagement für Flüchtlinge». Zusammen mit vier anderen Frauen gründete Bischoff den Verein Borderfree. «In Presevo versorgen wir an manchen Tagen 4000 Flüchtlinge mit Essen, warmem Tee und dem Allernötigsten», erzählt die Künstlerin.

Sie freut sich über die Containerküche, die Borderfree seit zwei Tagen auf der Balkanroute betreibt und mit der die Freiwilligen jeden Tag Tausende von Flüchtlingen verköstigen könnten. Eine neue Kundgebung zu organisieren steht für Bischoff derzeit nicht im Vordergrund. Das Engagement für die Flüchtlinge vor Ort ist für sie wichtiger «als sich hier auf einen Platz zu stellen». (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

(Erstellt: 13.01.2016, 07:23 Uhr) von Anita Merkt, Redaktorin Zürich

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