*Volunteer-News*
Anna-Maria schickt uns diesen Bericht über ihren Einsatz in Katerini, wo Borderfree neuerdings in den offiziellen Flüchtlingscamps mit einem neuen Projekt zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingsfamilien tätig ist.
Vielen Dank, liebe Anna-Maria für deinen beherzten Einsatz und dein riiiiiesiges Herz! ❤️❤️❤️
——–
Mein Tagebuch in Katerini vom 23.04.16 – 03.05.16:
Eigentlich war mein Plan in Idomeni meinen Freiwilligeneinsatz zu leisten. Doch kurz vor meiner Abreise wurde ich von Vanja gebeten nach Katerini zu reisen und dort auszuhelfen. Ein Mann namens Elias benötigte unsere Hilfe:
In der Nähe von Katerini liegt Nea Chrani. Ein weiteres Flüchtlingscamp. Elias und seine freiwilligen Helfer, versorgen das Camp Nea Chrani mit Windeln, Babymilchpulver, Seifen und ganz vieles mehr, welche die Menschen dort für Hygiene und ihre Babys und Kleinkinder benötigen. Auch sammelt Elias-Gruppe Nahrungsmittel wie z.B. Früchten und Getränke und vieles mehr.
Ich stelle kurz Elias und seine Arbeit vor:
Elias ist ein Griechischer Bürger und Initiant einer Bürgerinitiative, die sich für das Wohl und eine gute medizinische Versorgung für die griechische Bevölkerung sowie für die Flüchtlinge in den Camps einsetzt. Unter anderem versorgt er die einheimischen Menschen in Not sowie die Flüchtlinge mit Lebensmittel, Windeln, Waschpulver für die Camps, Hygieneartikeln und vieles mehr, die von den Einheimischen gespendet worden sind.
Sein grösstes Anliegen und Projekt ist es aber, die nötigen Medikamente und die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Er bekommt viele Medikamente aus der Schweiz, Deutschland, Österreich sowie Medikamente von verschiedenen Firmen gespendet. Diese werden von Freiwilligen auf Verfallsdatum, Vollständigkeit der z.B. Tablettenanzahl die auf der Packung steht kontrolliert. Danach werden sie in einer Datenbank eingegeben und jedes Medikament wird mit einer ID-Nr. erfasst.
Wenn also ein Arzt aus dem Spital oder einem Camp ein spezifisches Medikament benötigt, kann er im PC nach Medikamentenname oder Wirkstoff suchen und kann sehen, ob wir dieses haben oder nicht. Auch für Einheimische Personen, die ein Rezept für ein gewisses Medikament aber kein Geld um sich dieses zu kaufen haben, können zu uns nach Katerini kommen und kostenlos das Medikament beziehen. Dies gilt auch für Spital und Camps.
3 Mal am Tag sind meine 2 Volontärkollege/in und ich noch in Camp Nea Chrani gefahren und dort das Essen verteilt, mit den Menschen im Camp geredet und ich habe mich um ihre medizinische Bedürfnisse gekümmert.
Mir war aber aufgefallen, dass im Camp jegliche Beschäftigungsaktivitäten für die Kinder und Erwachsenen fehlte. Die Kinder hatten weder etwas zu malen oder irgendwelche Spielsachen. Die Erwachsenen langweilten sich den ganzen Tag und beklagten sich darüber, dass ihnen die Beschäftigung fehlte. Für die Grundbedürfnisse war gesorgt, aber für die medizinische Versorgung und das psychische Wohlergehen fehlte jede Spur…
Und so entschied ich mich, für die Kinder Farbstifte, Papier zu kaufen, Material für die Maltische und Sitzunterlagen. Gemeinsam mit Marcel kauften wir die Sachen ein. Mit 2 Paletts hat Marcel je 2 Kindertische gebastelt und mit einem schönen Maltuch überzogen. Das war ein Riesenfest für die Kinder und es wurde mit Freudengeschrei, Herumhüpfen und Lachen zelebriert. Es war so ein schönes Erlebnis zu sehen, wie sich die Kinder freuten, als wir die Malsachen verteilten.
Auch leider traurige Erlebnisse hatten wir im Camp. Z.B. wurde ich um Hilfe gebeten, weil ein 6 Mt. Kleinkind Fieber hatte. Als ich zu dem Kind kam, musste ich mit Schrecken feststellen, dass dem liegenden Kind auf der Schoss der Mutter durch einer anderen Frau eine Sirupähnliche Flüssigkeit in den Mund geflösst wurde. Das Kind weinte und verschluckte sich immer wieder. Sie hatte 2 Flaschen in der Hand. Als ich die Flaschen genau angeschaut hatte, hatte ich mit Schrecken feststellen müssen, dass sie Antibiotika und Fiebersirup gleichzeitig ohne genaue Dosierung dem Kind „eingeschüttet“ wurde. Als ich fragte, von wem sie diese Sirup hätten, haben sie mir geantwortet, dass sie diese von einer anderen Frau, dessen Kind auch krank war bekommen hätten. Ich verbot ihnen dieses Antibiotika weiter zu geben und gab für den Fiebersirup die genaue Dosierung an. Am Tag vorher sah ich eine Mutter mit 2 Kinder im Alter von 3 und 4 Jahren die unter Fieber und Erbrechen litten. Niemand hatte sich darum gekümmert. Also organisierte ich in Absprache mit Elias die benötigten Medikamente. Als ich am nächsten Tag vorbei ging um mich um die Kinder zu erkundigen, sah ich die Mutter regungslos am Boden bis zum Kopf zugedeckt stöhnend liegen und daneben ein ca. 5-6 Mt. Baby der Fieber hatte und die ganze Nacht geweint hatte. Sie hatte ganz starke Koliken und krümmte sich vor Schmerzen. Ich eilte zum Diensthabenden Soldaten und forderte eine Ambulanz, die diese Frau und alle 3 Kinder ins Spital zur Versorgung fahren sollte. Die Ambulanz kam und behielt diese Frau einige Tage im Spital. Diese Situationen und Erlebnisse stimmten mich sehr traurig und gleichzeitig wütend…Das darf einfach nicht passieren!
Am letzten Tag vor unserer Abreise fuhren wir ins Camp um uns von allen zu verabschieden. Ein trostloses und trauriger Anblick drückte unsere Stimmung… Es hatte die ganze Nacht geregnet und alle Zelte wurden vom Wasser durchnässt, da die Zelte auf den blanken Boden stehen. Das Wasser lief in die Zelte und die Menschen mussten die ganze Nacht auf dem Nassen Boden schlafen. Kleider, Schlafsäcke, Decken, alles war durchnässt! Die Menschen waren ratlos und die Stimmung gedrückt. Einige waren sehr wütend. Da Marcel und ich noch einer Familie am vorigem Tag versprochen hatten, zu ihnen im Zelt einen Kaffee zu trinken, hielten wir unser Versprechen und klopften bei ihnen am Zelt an. Sie hatten sich sehr über unser Besuch gefreut und die Frau brach in Tränen aus. Wir hatten gute Gespräche und es war eine schöne Zeit. Wir verabschiedeten uns und liefen mit einer grossen Kinderschar, die sich an meinen Beinen und Händen festhielten Richtung Ausgang.
Es war nicht leicht, zu gehen und all diese Menschen so zurück lassen zu müssen.
Wir durften schöne aber auch traurige Momente erleben, die ich aber trotz allem nie mehr missen möchte. Diese Herzlichkeit berührt mich immer wieder zu tiefst. Trotz der Situation in der sie sich befinden.
Jetzt bin ich wieder in meiner sicheren und geschützte Schweiz und bei meiner geliebten Familie. Meine Gedanken und mein Herz sind aber auch in Nea Chrani und Idomeni. Ich werde sie nie vergessen und eins ist sicher: Ich werde dort wieder zurück kehren…
———–
Bist du auch interessiert, in Katerini mitzuhelfen? Dann melde dich bei info@dev.border-free.ch
Neueste Kommentare