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Wir werden statt des Tagebuchs von Vanja Crnojević, Geschäftsführerin und Gründerin von Borderfree Association, die bewegenden Geschichten von drei Jungen erzählen. Etwas länger als gewohnt, dafür umso wichtiger.

Hasan aus Afghanistan, 9 Jahre alt: «Das Einzige, was man gegen böse Menschen machen kann, ist zu lernen, ihre Bosheit zu erkennen, um sich so vor ihnen zu schützen.»

Im Flüchtlingscamp in Serbien treffen wir den neunjährigen Hasan*. Es ist ein heisser Nachmittag. Eine Gruppe von Männern wird auf uns aufmerksam und diskutiert intensiv, weshalb wir gekommen sind. Wir bemerken Hasan, der sich im Hintergrund hält und nicht am Gespräch teilnimmt. Er sieht ernst und umsichtig aus. So fein, klein, unterernährt und in den schäbigen und abgenutzten Kleidern sieht er noch viel jünger aus, als er ist.

Hasan will nach Paris

Hasan ist seit bereits einem Jahr ganz alleine auf der Flucht. In Serbien ist er erst seit ein paar Tagen. Er hat es erst vor Kurzem geschafft, die bulgarische Grenze zu überqueren. Er ist alleine und hat in einem Plastiksack nur wenige persönliche Gegenstände dabei. Hasan spricht bereits gut Englisch. Bulgarisch und Türkisch hat er auch etwas gelernt, da er in den beiden Ländern einige Monate verweilte. Hasan ist ein ruhiger und ernster Junge. Er spricht nicht viel, aber macht uns bereits am Anfang des Gespräches klar, dass er Arzt werden möchte und nach Paris unterwegs ist. Auf unsere Nachfrage, weshalb er ausgerechnet nach Paris möchte, antwortet er uns kurz: „Ich habe mich erkundigt, wo es in Europa am besten ist. Alle meinten, dies sei in Paris. Deshalb habe ich mich entschieden, nach Paris zu reisen.“ Mit grossem Entsetzen darüber, dass ein kleiner Junge einen solch langen Weg bereits hinter sich hat, hören wir ihm weiter zu. Er erklärt uns, dass er flüchten musste: „Es war Krieg, jeden Tag gab es Schiessereien, bei denen sehr viele Menschen verunglückten.“ Sein Vater, Angehöriger der Lokalpolizei, welcher gegen die Taliban kriegte, musste aufgrund der stetigen Drohungen der Taliban nach Pakistan flüchten.

Flucht vor den Taliban

Leider hatte Hasans Familie aber auch in Pakistan kein ruhiges Leben. Die Taliban fanden sie auch dort und stiegen in einer Nacht in ihr Haus ein. Hasans älterer Bruder wurde dabei getötet. Die Taliban verliessen ihr Haus mit den Worten: „Gibt uns Hasan, damit er mit uns kämpft. Nur so könnt ihr eure Strafe bezahlen. Gibt ihr ihn uns nicht, ist Hasan der Nächste.“ Die Polizei konnte nicht helfen. Hasans Vater schickte Hasan nach den vielen Drohungen nach Europa. In der Hoffnung, dass sich Hasan von den Taliban und dem Krieg retten kann. Hasan ist schon fast ein Jahr lang auf der Flucht, wovon er die meiste Zeit in der Türkei und in Bulgarien verbrachte. Er meint, er hatte nie grössere Probleme und seine Mitreisenden waren ihm immer behilflich. Er hat seine Gruppe nie aus den Augen verloren. Hasan erzählt von den Grenzübergängen, vom langen nächtlichen Warten in den Wäldern und den langen Märschen. Seinen schlimmsten Moment erlebte er an der iranischen Grenze, wo die iranische Polizei auf seine Gruppe schoss. Hasan hat oft Alpträume davon, er kriegt die Bilder der Schiessereien und Morde nicht aus seinem Kopf. Sehr schwierig waren für ihn die Nächte im Wald. Dort war es unglaublich kalt.

Das Leid in Bulgarien

Im Camp in Bulgarien konnte er es kaum aushalten. Seine Tage in Bulgarien waren erfüllt mit Leid, Gewalt und Angst. Hasan hat auf seiner Flucht viel gelernt. Er weiss, dass es gute, aber auch schlechte Menschen, gibt: «Ich habe gelernt, dass Menschen manchmal unerklärlich böse sein können. Das Einzige, was man gegen solche Menschen machen kann, ist zu lernen, ihre Bosheit zu erkennen, um sich so vor ihnen zu schützen.»

Hasan hofft, dass er bald zur Schule gehen kann. Er will den Menschen als Arzt helfen: «Das wichtigste im Leben ist es, dass man den Menschen hilft und ein guter Mensch ist.» Trotzdem sehnt sich Hasan am meisten nach seiner Familie. Sein grösster Wunsch ist es, wieder mit seiner Familie zusammenzuleben. Er vermisst sie unglaublich. Am meisten, wenn es Abend wird. Denn dann lag er früher am liebsten in den Armen seiner Familie.

*Um die Identität des Kindes zu schützen, wurde der Name geändert.

Hier gehts zu allen Porträts der Flüchtlingskinder: Porträts Flüchtlingskinder

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