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Geschichte einer Flucht – Teil I

M.F. und seine Familie stammen aus Afghanistan; wegen der prekären Sicherheitslage, ausgelöst durch die Anschläge der Taliban, mussten sie nach Pakistan fliehen. Sie flüchteten in eine Stadt nahe der afghanischen Grenze, in ein Gebiet, das von der afghanischen Regierung und den Taliban als afghanisches Territorium betrachtet wird. Auch hier gab es Anschläge, weswegen die pakistanische Regierung beschloss, alle afghanischen Familien zurück nach Afghanistan zu deportieren in der Hoffnung, so die Angriffe der Taliban zu stoppen, den Frieden an der Grenze zu sichern und das Gebiet für Pakistan zu erhalten.

Die drohende Deportation war der Auslöser für M. F., das Risiko einzugehen und sich auf seine gefährliche Reise ins Unbekannte aufzumachen. M. F. verliess sein Zuhause als Vierzehnjähriger; drei Jahre dauerte seine Flucht, bis er bei uns im «House of Rescue» in Loznica ankam.

Das ist seine Geschichte.

Pakistan – Afghanistan – Iran – Irak – Irak

«Meine Reise begann in einem stockdunklen Van, der so voll von Menschen war, dass man kaum atmen, geschweige denn sich bewegen konnte. Ich hatte mich an Schmuggler gewandt, die mir sagten, dass sie mich in die Türkei bringen können. Die Fahrt durch Afghanistan zur iranischen Grenze und durch die Wüste dauerte mehrere Tage. Schließlich erreichten wir unser Ziel, passierten die Grenze und verbrachten 20 Tage in einem Flüchtlingslager im Iran.

Das nächste Ziel war die Grenze zum Irak. Wir fuhren wieder mit dem Van und gingen dann viele Tage zu Fuß über Berge und Täler… auf und ab, auf und ab. Als wir oben in den Bergen waren, konnten wir eine lange Reihe von Menschen durch das Tal ziehen sehen, das wir einen Tag zuvor hinter uns gelassen hatten. Ich schätze, es befanden sich etwa 700 Menschen auf diesem Treck. Meine Füsse schmerzten, meine Schuhe fielen auseinander, ich war erschöpft und sehnte mich nach einem Bett.

Als wir die türkische Grenze erreicht hatten und sie passieren wollten, verfolgte uns die Polizei und schoss auf uns. Ich konnte ein paar Tage lang nicht aufhören zu zittern. Glücklicherweise hatte ich einen Freund in der Türkei und irgendwie gelang es mir, die Stadt zu erreichen, in der mein Freund lebte. In seiner Wohnung rief ich meine Familie an, um ihnen mitzuteilen, dass ich am Leben war. Es gab Tränen der Hilflosigkeit und der Freude auf beiden Seiten der Telefonleitung, denn ich war von zu Hause weggegangen, ohne jemandem zu sagen, dass ich gehen würde und wohin. Meine Familie hatte mich schon tot in einem Graben liegen sehen…»

Türkei

«Ich war arbeitslos und abhängig von meinem Freund, der selbst kaum Geld verdiente. Wir waren die meiste Zeit hungrig. So ging es mehrere Monate, bis er mir eines Tages erzählte, dass er wieder einmal mit seinem Chef über mich gesprochen hatte und der Chef sich nun endlich überlegte, mich einzustellen. Da ich klein und sehr dünn bin, wirke ich zerbrechlich. Der Chef sah mich an und sagte zu meinem Freund, dass ich für diese Art von Arbeit nicht geeignet sei. Wir schafften es jedoch, ihn zu überreden, mir zumindest die Chance zu geben, mehrere Tage lang zur Probe zu arbeiten.

Und ja, es war eine sehr harte Arbeit für jemanden in meiner Verfassung. Am Ende des Tages fühlte ich mich kaputt und erschlagen, aber ich wusste, dass ich es ertragen und dem Chef beweisen musste, dass ich es konnte.

Von morgens bis abends schuftete ich für ein lausiges Gehalt, natürlich schwarz. Ich hielt etwa ein Jahr lang durch. Dann entschied ich, dass die Ausbeutung ein Ende haben musste, und beschloss, fortzugehen. Als ich ging, weigerte sich der Chef, mir mein letztes Gehalt zu bezahlen. Ich verzichtete darauf, denn ich war körperlich und geistig zu erschöpft, um mich auf einen Streit mit ihm einzulassen …»

Fortsetzung folgt im zweiten Teil der dreiteiligen Serie «Geschichte einer Flucht».

M.F.’s Geschichte ist ein Einzelschicksal und doch ist er kein Einzelfall: Es gibt viele ähnliche Geschichten von Jungen wie M. F. Im «House of Rescue» hoffen wir, dass Kinder wie er hier endlich eine Art Zuhause gefunden haben, wo sie sich sicher fühlen und sich von ihren Traumata erholen können.

Kinder wie M. F. brauchen dringend unsere Hilfe. Unterstützen Sie deshalb bitte das House of Rescue. Herzlichen Dank.